Kreuzfahrten: Warum eine Seefahrt nicht immer lustig ist

Noch bis vor wenigen Jahren galten Kreuzfahrten als luxuriöse Urlaubsmöglichkeit für Urlauber*innen mit dem nötigen Kleingeld. Doch inzwischen explodiert die Branche: 2015 gab es laut der Cruise Lines International Association 471 Kreuzfahrtschiffe und auch die Anzahl der Wiederholungsreisenden steigt. 2014 konnte die Branche einen Umsatz von 110 Milliarden Euro verzeichnen. Das Wachstum von 2010 bis 2020 liegt bei 77 % (Herrmann 2016: 64f). Auch vor Ort lässt sich der Aufstieg des Trends verfolgen: Allein in Hamburg verdreifachte sich die Zahl der Ankünfte von Kreuzfahrtschiffen auf 156 (ebd.).

Doch die großen wirtschaftlichen Erfolge gehen einher mit irreversiblen Klimaschäden, Niedriglöhnen und harten Arbeitsbedingungen. Zudem ist umstritten, ob die Branche überhaupt einen volkswirtschaftlichen Gesamtnutzen hat. Antje Monshausen, Tourismusreferentin bei Brot für die Welt, sagt dazu: „Es reicht nicht, allein einzelne vorbildliche Initiativen auf lokaler Ebene zu fördern, wenn gleichzeitig etwa der Kreuzfahrt-Tourismus Impulse für lokale Entwicklung geradezu sabotiert.“ Unter der Kreuzfahrtindustrie leiden demnach nicht nur die Umwelt und Natur, sondern auch die Einheimischen bei den sog. Landgängen der Urlauber*innen.

Ölverschmutzung

Fast alle Kreuzfahrtschiffe werden mit Schweröl betrieben, einem Antriebsstoff, der hundertmal umweltschädlicher ist als Diesel (Planet Wissen). An Land darf dieser Kraftstoff gar nicht verwendet werden, da er 3.500 mal mehr Schwefel enthält als auf Europas Straßen erlaubt ist (Utopia). Dennoch fahren noch immer fast alle Kreuzfahrtschiffe mit Schweröl und verbrauchen davon durchschnittlich 150 Tonnen pro Tag. Sichtbar werden die gravierenden Umweltauswirkungen vor allem bei Unfällen, da sich der Ölfilm dann im Meer verteilt. Darunter leiden vor allem Tiere wie Schildkröten und Wasservögel. Laut dem NABU-Kreuzfahrtranking verzichten derzeit lediglich 3 Reedereien auf Schweröl: Ponant, Hapag-Lloyd Cruises und Hurtigruten.

Energie

Nicht die ganze Zeit über befinden sich die Schiffe auf hoher See, 40 % der Zeit liegen sie in Häfen. Während die Urlauber*innen auf Landgang sind und Souvenirs shoppen, laufen die Kreuzfahrtschiffe im Dieselbetrieb weiter. Dabei verbrauchen sie die Energie einer Kleinstadt (Herrmann 2016: 70). Tatsächlich gibt es dazu im Hamburger Hafen eine Alternative: Hier können die Schiffe während ihrer Liegezeit Landstrom beziehen und müssen nicht im Dieselbetrieb laufen (Utopia). Doch leider sind nur wenige Schiffe für die Versorgung mit Landstrom gerüstet, weshalb nur wenige von der nachhaltigeren Option Gebrauch machen. Zudem ändert die reduzierte Abgasbelastung an Land natürlich nichts an den Abgasen, die die Kreuzfahrtschiffe weiterhin munter auf See ausstoßen. Um diese auch außerhalb der Liegezeit mit sauberer Energie zu betreiben, braucht es Veränderungen an der Quelle, d. h. am Schiff selbst.

Luftverunreinigung

Auch die CO2-Bilanz von Kreuzfahrtschiffen ist miserabel. Zynisch formuliert könnte man sagen, wer mit dem Auto reist, ist im Vergleich sehr klimafreundlich unterwegs. In einer Vergleichstabelle des NABU lässt sich erkennen, wie viel umweltschädlicher ein Kreuzfahrtschiff im Vergleich zum Pkw ist. Ein einziges Kreuzfahrtschiff stößt genauso viel Schwefeldioxide (SO2) aus wie 376 Millionen Pkws. Es sorgt für genauso viel Feinstaub wie 1.052.885 Pkws. Dabei ist die hohe Abgasbelastung nicht nur für die Umwelt problematisch, auch für die eigene Gesundheit kann die „frische Seebrise“ zum Problem werden. Verdeckte Messungen des Fernsehsenders France 3 ergaben, dass die Luft an Bord eines Kreuzfahrtschiffs deutlich schlechter ist als man bisher annahm: Die ultrafeinen Partikel lagen bei 380.000 cm³. Das ist das 200-fache des Werts, der in natürlicher Umgebungsluft gemessen wurde (NABU). Der gesamte CO2-Fußabdruck einer siebentägigen Mittelmeerkreuzfahrt beläuft sich laut dem WWF auf 1.224 kg pro Person (Herrmann 2016: 75). Den größten Anteil nimmt dabei die oft vergessene An- und Abreise per Flugzeug mit 685 kg ein. An Bord kommen dann noch einmal 439 kg für die Unterkunft und 79 kg für Verpflegung dazu sowie 21 kg für freizeitliche Aktivitäten (ebd.).

Ballastwasser

Ein weiteres ökologisches Problem, das weitaus weniger Beachtung findet als die CO2-Emissionen oder das Schweröl ist das sog. Ballastwasser. Damit wird Wasser bezeichnet, das von Kreuzfahrtschiffen be- und entladen wird, um ihre Stabilität zu optimieren. Dabei können invasive Arten eingeschleppt und Krankheitserreger und Mikroorganismen verteilt werden (Planet Wissen). Im schlimmsten Fall kann sich so ein ganzes Ökosystem verändern (Umwelt Bundesamt). 1991 wütete in Peru eine Cholera-Epidemie, die sich erst durch das im dortigen Hafen abgelassene Ballastwasser verbreitete. Die Epidemie führte zu 500 Toten und mehr als 100.000 Erkrankten (Planet Wissen).

Schiffsmüll

Auch Abwasser und Müll sind ein großes Problem an Bord von Kreuzfahrtschiffen. Es wird gewaschen, gekocht, geputzt, geschwommen, geduscht und, und, und. Dabei entstehen große Mengen an Abwasser und Abfall – etwa 35.000 Tonnen Abfall auf allen AIDA-Kreuzfahrtschiffen pro Tag (Herrmann 2016: 77).

Abgesehen von den vielen Tonnen an Abfällen und anderem Müll, die durch den individuellen Konsum der Urlauber*innen an Bord des Schiffs zustandekommen, birgt vor allem die Verschrottung der Kreuzfahrtschiffe große Umweltprobleme. Nach rund 20 Jahren hat ein Kreuzfahrtschiff ausgedient (Planet Wissen). Viele Reedereien entscheiden sich dann dafür, die Schiffe an Entwicklungsländer zu verkaufen, die diese zerlegen und die Schrottteile verkaufen. Andere landen auf sog. Schiffsfriedhöfen in Ländern wie Indien oder Pakistan, weit entfernt von den Ländern, in denen sie ursprünglich produziert wurden (ebd.). Dort werden sie ohne ausreichende Recyclingstandards und Sicherheitsmaßnahmen abgebaut, wobei Treibstoff, Plastik und Rost ins Meer gelangen und langfristig dem Ökosystem schaden.

Belastungen für Mitarbeiter*innen und Einwohner*innen

Neben den offensichtlichen Umweltschäden, die die Kreuzfahrtbranche verursacht, trägt sie indirekt auch die Schuld für wirtschaftliche und soziale Probleme. Denn von den Landgängen profitieren die Einheimischen nur bedingt. Da die Urlauber*innen an Bord des Schiffes speisen und schlafen, landet nur wenig Geld bei der lokalen Bevölkerung. Selbst Touren und Aktivitäten vor Ort werden meist bereits an Bord gekauft. Tourism Watch ergänzt, dass „mehr als 50 Prozent der touristischen Aktivitäten an Land [...] an Bord von den Kreuzfahrtgesellschaften direkt verkauft“ (via Utopia) werden. Somit verbleibt der Großteil des Gewinns bei den Reedereien und Reiseveranstaltern.

Zudem sparen diese gerne hunderte Millionen Euro an Steuern durch die sog. Ausflaggung ein, indem unter anderer Flagge gefahren wird, d. h., das Schiff ist in einem anderen Land registriert, das nicht dem Heimatstaat des Schiffseigentümers entspricht (Die Zeit). Da die Arbeitsgesetze auf den Bahamas, Panama oder Malta deutlich lockerer sind, es keinen Mindestlohn oder Arbeitszeitbegrenzung gibt, schuften die Bordmitarbeiter*innen meist an sechs bis sieben Tagen pro Woche. Obwohl 2013 ein Mindestkodex in Kraft trat, der die Arbeitszeiten und Unterbringung der Angestellten an Bord des Schiffs regelt, sind Arbeitszeiten von bis zu 14 Stunden täglich noch immer erlaubt.