Siegelüberblick

Bei Bio-Lebensmitteln und Produkten wie Kakao und Kaffee schon längst Mainstream: Siegel. Doch im Tourismusbereich kennt fast niemand empfehlenswerte Siegel, nach denen man bei der Buchung der Unterkunft, Mietwagen, Pauschalreise-Angeboten usw. Ausschau halten könnte. Dabei gibt es sie. Viele. Man könnte sagen zu viele.

Statt vieler unbekannter Siegel wäre es besser, auf nur wenige Siegel zu setzen, die von externen Stellen geprüft werden. So könnten Urlauber*innen der Siegelflut entkommen und der Bekanntheitsgrad der Siegel in der Tourismusbranche würde ansteigen. Mobilitätsforscher Thomas Sauter-Servaes kritisierte beispielsweise die Beschränkung der Zertifizierung auf nur einzelne Teile der Reise. Oft würden nur Unterkünfte zertifiziert, damit sei die Reise jedoch noch lange nicht nachhaltig (vgl. Herrmann 2016: 206). Denn nur weil das Hotel Bio-Eier serviert und Yoga-Stunden anbietet, ist damit noch lange nicht die Anreise per Flugzeug kompensiert. Sauter-Servaes betont, man müsse die ökologische Gesamtbilanz der Reise im Blick behalten und nicht auf einzelne nachhaltige Komponenten setzen.

Und bei all der berechtigten Kritik an Siegeln: Sie können – wenn sie denn glaubwürdig, transparent und bekannt sind – Orientierung für Interessierte bieten. Wir stellen dir nun einige Siegel vor, die all diese Kriterien erfüllen, sich also sowohl durch hohe Transparenz, einfache Lesbarkeit als auch durch eine unabhängige externe Prüfung und einen hohen Bekanntheitsgrad auszeichnen. Wir beschränken uns hier auf den geographischen Raum Europas. Willst du außerhalb Europas verreisen, empfehlen wir dir einen Siegelcheck auf diesem Portal.

Viabono Bei Viabono handelt es sich um die 2002 gegründete Initiative des Bundesumweltministeriums, der 18 Spitzenverbände, darunter der NABU, der ADAC und und das DJH, angehören. Das Siegel gibt es nur in Deutschland und es wird sowohl an Hotels, Ferienwohnungen, Tagungshäuser, Campingplätze und Jugendherbergen als auch an Restaurants, Pauschal- und Kanuanbieter, Naturparks sowie Tourismuskommunen vergeben. Um eine Zertifizierung zu erhalten, müssen Betriebe in den Bereichen Endenergie, CO2, Wasser und Restabfall 30% unter den von Expert*innen errechneten Benchmarks liegen. Zudem wird Wert auf die Verwendung regionaler und fair produzierter Lebensmittel gelegt. Die Zertifizierung ist zwei Jahre lang gültig. Bei Verstößen gegen die Kriterien werden dem Betrieb Sanktionen auferlegt. Vom Label-Portal „label-online.de“ wird es als empfehlenswert eingestuft, da ein transparenter Vergabeprozess gegeben ist und die Kriterien für die Vergabe des Siegels von unabhängigen Stellen mitentwickelt werden. Dennoch kann das Siegel nicht uneingeschränkt empfohlen werden, da die Kontrollen nur stichprobenartig durchgeführt werden und somit nicht umfassend genug sind.

Blaue Schwalbe Das von dem Reisemagazin „Anderswo“ vergebene Siegel für Unterkünfte wird bereits seit 1989 an Hotels, Pensionen, Gasthöfe und Campingplätze in Deutschland vergeben, die sich durch ihre ökologische Grundausrichtung von anderen unterscheiden. Berücksichtigt werden dabei Unterkünfte in Deutschland, England, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Österreich, Polen und der Schweiz. Es handelt sich zwar um ein allgemein anspruchsvolles Siegel, das einzelne Nachhaltigkeitsaspekte wie regionales oder saisonales Essen bewertet, vom Siegel-Portal „label-online.de“ wird das Siegel aber nur eingeschränkt empfohlen, da kein unabhängiges Kontrollsystem existiert – Siegelgeber*innen und Prüfer*innen sind identisch. Zudem wird so indirekt Greenwashing gefördert, da sich Unterkünfte durch eine Zertifizierung hervortun können, ohne wirklich über eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie zu verfügen. Bei der Blauen Schwalbe handelt es sich demnach um ein Einsteiger*innen-Siegel, das zwar gute erste Ansätze verfolgt, aber Betriebe zum Greenwashing verführen könnte. Für Verbraucher*innen heißt das: Augen auf bei der Buchung der Unterkunft, da mit dem Blaue Schwalbe-Siegel auch nur einzelne Komponenten zertifiziert werden können, die eine Unterkunft noch lange nicht zu einer nachhaltigen machen.

ECOCAMPING Wer gerne campen geht, sollte auf die europaweit bekannte und anerkannte Management-Auszeichnung ECOCAMPING achten. Diese begleitet Campingplätze auf ihrem Weg zu mehr Umwelt- und Naturschutz. Bisher gibt es 219 Campingplätze in 6 verschiedenen Ländern, die eine Auszeichnung erhalten haben. Das Managementsystem orientiert sich an der EG-Ökoaudit-Verordnung (EMAS) und stellt den gesamten Entwicklungsprozess eines Campingplatzes in den Vordergrund. Es geht vor allem darum, Energieeffizienz zu fördern, auf Ökostrom zu setzen, Wasser sparsam zu verwenden, die Luft rein zu halten und Abfälle zu vermeiden. Auch die Bevorzugung regionaler Dienstleister und Produkte, eine sanfte Mobilität mit Bahn, Bus und Fahrrad sowie eine umweltfreundliche Gestaltung der Freizeitangebote finden Berücksichtigung. Dieses Siegel gibt Urlauber*innen Orientierung, denn Campingbetrieben mit dieser Auszeichnung liegt wirklich ernsthaft etwas an der langfristigen Veränderung in den Bereichen Umweltschutz, Sicherheit und Qualität. Das sieht man unter anderem daran, dass Interessierte einen Maßnahmenplan zu den Zielen des Leitbilds von ECOCAMPING mit mind. 10 Verbesserungsideen für die nächsten 3 Jahre erstellen müssen, um eine Auszeichnung zu erhalten.

European Charter for Sustainable Tourism in Protected Areas Bei der Charter handelt es sich um eine Auszeichnung der EUROPARC Federation für europäische Naturschutzgebiete, die sich für einen nachhaltigeren Tourismus einsetzen. Wer die Auszeichnung erhalten möchte, muss sich den Zielen der Charta verpflichten und bereit sein, gemeinsam mit den anderen Akteuren Strategien für eine zukünftige touristische Entwicklung des jeweiligen Schutzgebietes zu erarbeiten. Bisher wurden 144 Schutzgebiete in 17 verschiedenen europäischen Ländern ausgezeichnet, dazu gehören auch die Nationalparks Frankenwald, Müritz und Harz.

Österreichisches Umweltzeichen für Tourismus Bei dem Österreichischen Umweltzeichen für Tourismus handelt es sich um das allererste staatliche Ökolabel im Tourismus. Es wird vom Österreichischen Bundesministerium für Land und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft an Hotels, Campingplätze, Restaurants und Reiseveranstalter vergeben, die sich „ökologisch korrekt verhalten“. Darunter verstehen die Auszeichner ein begrenztes CO2-Kontingent, den Verzicht auf Kurzstreckenflüge unter 700 km bei weniger als einer Woche Aufenthalt sowie Kreuzfahrt im Allgemeinen. Wichtig zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass dieses Siegel allein die ökologischen Aktivitäten bewertet, soziale Komponenten spielen für die Auszeichnung keine Rolle, d. h., es wird z. B. nicht darauf geachtet, ob Angestellte auch gerecht bezahlt werden. Zudem finden sich auf der Website zwar Informationen über die Kriterien und Kosten der Auszeichnung, nicht aber über die Überprüfung der Zertifizierung. So bleibt unklar, inwieweit eine unabhängige Kontrolle der Siegelkriterien in den Unterkünften stattfindet.

Ibex fairstay Das Steinbock-Label des Schweizer Tourismus Siegelbetreibers ibex fairstay lockt mit dem einprägsamen Slogan „Ferien mit Mehrwert“. Ausgezeichnet werden sowohl Hotels und Jugendherbergen als auch Ferien- und Tagungs- sowie Wellness- und Gesundheitseinrichtungen. Um das 3 Jahre lang gültige Siegel zu erhalten, müssen Betriebe sich von unabhängigen Auditoren in den Bereichen Regionalität, Soziales Engagement, Wirtschaftlichkeit, Ökologie und Servicequalität überprüfen und bewerten lassen. Im Gegensatz zum Österreichischen Umweltzeichen für Tourismus werden hier also auch soziale Komponenten mit einbezogen, d. h., eine geschlechtergerechte Entlohnung wird garantiert und auch die Lieferanten werden fair bezahlt. Ibex fairstay bewertet die Unterkünfte je nach Ausprägung der Nachhaltigkeit („Performancelevel“) mit einem bronzenen, silbernen, goldenen oder platinen Steinbock. So wird die Nachhaltigkeitsleistung messbar, überprüfbar und leicht kommunizierbar, wovon auch wir als Urlaubsreisende profitieren, da so auf einen Blick ersichtlich wird, wie gut der jeweilige Betrieb bereits performt.